Eva Petrič: WebChain
Ausstellung in der Galerie ARCC.art
1070 Wien, Kaiserstraße 76
20. September bis 21. Oktober 2018
Gabriela Koschatzky-Elias zur Eröffnung am 19. September 2018:
Eva Petrič ist eine äußerst vielseitige, eine im wahrsten Sinn des Wortes multimediale Künstlerin, ihre Ausdrucksmittel sind Fotografie, Video, Installation und Performance, Soundinstallationen, Gedichte und Prosaliteratur.
Sie hat Psychologie, visuelle Kunst, und New Media studiert, lebt und arbeitet in Wien, Ljubljana und New York City. Bisher waren ihre Arbeiten in 40 Solo- und 62 Gruppenausstellungen in Europa, Argentinien, den USA und China (wo sie bereits dreimal für die Beijing International Art Biennale ausgewählt wurde) zu sehen und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Die Arbeiten, die uns Eva Petrič in dieser Ausstellung präsentiert, würden manche vordergründig als zutiefst weibliche Kunst definieren, da Spitze auf den ersten Blick weiblich konnotiert ist. Die Künstlerin versteht sie aber nicht altmodisch lieblich, sondern erfasst sie technisch abstrakt. An der Spitze fasziniert sie die Dualität, wie unsere Haut ist sie zart und fragil aber auch robust und beständig. Spitze hat etwas Mystisches, Geheimnisvolles, erscheint aber auch mathematisch klar und geordnet.
2012 in Buenos Aires hat Eva Petrič begonnen, alte handgefertigte Spitzen zu sammeln, die sie in dem Zustand belässt, in dem sie sie findet. „Diese recycelten Spitzen repräsentieren und illustrieren die Verbundenheit zwischen uns. Ich nehme sie als unsere andere Haut wahr“ sagt sie, und „Ich bin fasziniert von der Zeit, die verstrichen ist, um all diese einzelnen Spitzen herzustellen, und der Idee, sie zu einer kollektiven zeitgenössischen Geschichte mit einer Verbindung zur Vergangenheit (wirklich alles baut aus der Vergangenheit) und Anspielung auf die Zukunft (ich beschäftige mich mit futuristischen Themen, die auf Wissenschaft und Medizin basieren) zusammen zu fügen. Auch denke ich, dass mein persönliches Heranwachsen etwas damit zu tun hat, da ich in Äthiopien, Indien, Buenos Aires, Amerika, Wien und Slowenien aufgewachsen bin und so dazu tendiere, nach der Art und Weise zu suchen, in der Dinge miteinander verbunden sind.“
In ihren oft allegorischen Darstellungen kombiniert sie die Spitzen mit Licht, Fotografien, zarten Farben, spielt mit Schatten und Kontrasten. Schwarz, Grau und Weiß dominieren. So kann die Spitze richtig wirken, grelle Farbe lenkt von der Feinheit der Struktur ab.
Im ersten Raum sehen wir Objekte aus Spitze auf Plexiglas bzw. Fiberglasnetz, die mich an antike Fresken erinnern, menschliche Archetypen, schwebend zart und doch kraftvoll und Energie ausstrahlend. Die Spitzen in ihrer Komplexität werden zu Galaxien von beeindruckender Mehrdimensionaliät und Körperlichkeit.
Im zweiten Raum die Leuchtkästen der WebChain Serie, die dem Betrachter das abstrakte Phänomen des Gewebes vermitteln soll, aus dem wir und alles Lebendige um uns herum bestehen.
Wie Maria Lassnig oder Elke Krystufek ist Eva Petrič hier ihr eigenes Modell, doch nicht in der diesen Künstlerkolleginnen eigenen exzessiv realistischen, oft im wahrsten Sinne des Wortes bloßstellenden Weise, sondern in einer verfremdeten, traumähnlichen, poetischen Art. Sie wird zur Urmutter, zur mitochondrialen Eva. Dieser Begriff aus der Archäogenetik bezeichnet eine Frau, aus deren mitochondrialer DNA die DNA aller heute lebenden Menschen durch eine direkte Abstammungslinie hervorgegangen ist. (Mitochondrien sind übrigens ein Zellbestandteil der Lebewesen.)
Die den Hintergrund für die WebChain Serie bildenden Assemblagen sind inspiriert von Sternaufnahmen der NASA und ESA sowie von Zellaufnahmen der Medizinischen Fakultät der Universität von Ljubljana. Der Spitzenhintergrund in jedem Bild symbolisiert für die Künstlerin den Big Bang, den Urknall.
Das Phänomen des Netzes, des Gewebes ist der rote Faden bei allen Spitzeninstallationen von Petrič. Es definiert unser Leben und unsere Existenz auf allen Ebenen, von der makrokosmischen Ebene im Weltall bis zur mikrozellulären Struktur unserer Körper.
Wie sehr dieses Thema die Künstlerin beschäftigt, zeigt auch das eindrucksvolle Buch WEBbing, in dem sie ihre visuelle Kunst mit kreativem Schreiben verbindet, und das Arbeiten aus dem Zeitraum von 2012 bis 2018 dokumentiert.
Zum Abschluss noch ein Text von Eva Petrič zu den Exponaten der heutigen Ausstellung: „Was sind die Grenzen des Körpers? Kann man auch Sterne als Körper ansehen, als lebende und aus Zellen bestehende Organismen, die für unser Auge wie eine einzige große Zelle erscheinen? … Die Inspiration hinter der Erschaffung der „WebChain“ Serie war die Ermöglichung eines Zugangs um das eher abstrakte und unsichtbare Phänomen des Gewebes erleben zu können, aus dem wir, und alles was wir Leben nennen, uns zusammensetzen. Dieses Phänomen des Gewebes definiert uns als lebende Gesamtheit und verbindet uns zur gleichen Zeit bis zur vollständigen Vereinigung mit einem größeren System, unabhängig davon ob wir ein Mensch, ein Fisch, ein Baum, halb Spinne oder halb Mädchen sind.
…. Mit der weiblichen Protagonistin, und dem als Urknall erscheinenden Spitzenhintergrund in jedem Bild, exportiert die WebChain Serie die Idee der mitochondrialen Eva in das Weltall, was uns daran denken lässt, dass die mitochondriale Eva – symbolisiert von der weiblichen Protagonistin – nicht nur etwas Menschgebundenes ist, sondern eher weltallgebunden.
Wir existieren in einem spitzenartigen Netzwerk von Knoten und Schleifen und sind mehr miteinander verbunden und voneinander abhängig als uns dies oft bewusst ist.
Wenn ein Faden reißt, schwingen alle Fäden …“