rapport & stillleben

Noch bis 15. September sind neue Arbeiten von Birgit Sauer in der Galerie Domgasse zu sehen.

Hier mein Text zur Eröffnung der Ausstellung am 6. August 2020:

BIRGIT SAUER – rapport & stillleben
„Ihre Welt kann gar nicht weit genug sein“, schrieb Walter Koschatzky 1995 in einem Essay über Birgit Sauer.
Das gilt sowohl im rein geographischen Sinn – Arbeit und Ausstellungen führen sie weit über Europa hinaus, nach Nord- und Südamerika, bis hin nach China – als auch für die Breite ihres Schaffens. Es reicht von der Zeichnung und der klassischen Kaltnadel-Radierung über die Ölmalerei bis zur Photographie, zu Foto-Überarbeitung und Videoprint, Airbrushmalerei und Holzschnitt. Die Formate ihrer Bilder gehen von Postkartengröße bis hin zu monumentalen Ausmaßen.
Bei Birgit Sauer beeindruckt der stupende Umgang mit der Farbe und das souveräne Beherrschen der Formen-sprache. Die Instrumente ihrer Kunst – Bleistift, Kaltnadel, Holzschnittmesser, Pinsel oder Airbrushpistole – führt sie mit bestechender Sicherheit.
Bei den Bildern aus dem Zyklus „rapport“ arbeitet sie mit Airbrush und Lack auf Aluminium. „Rapport“ bezeichnet neben „Bericht“ und „Beziehung“ auch ein sich wieder-holendes Muster auf einem Textil oder einer Tapete. Solche Muster stellt sie in leuchtenden Farben und faszinierenden Kompositionen auf die Aluplatten, bei mir wecken sie Assoziationen an OpArt und die 1970er Jahre.
Neben der Farbe ist das bestimmende Element dieser Bilder die Bewegung. Frauenkörper scheinen frei im Raum zu schweben, wie aus Porzellan, Gestalten aus Plasma und Licht; Beim genaueren Hinsehen erblickt man die zarten Schattierungen, die feinen Details.

Das Gegenüberstellen der freien, bewegten Figur zu den regelmäßig angeordneten geometrischen Formen ergibt einen besonderen Reiz. Durch das Arbeiten mit Lack auf Alu entsteht ein ganz spezieller Effekt; ein Leuchten, eine Intensität, die dem Bild eine ungeahnte Tiefe geben.
Neben den großformatigen Airbrush-arbeiten sehen Sie in der Ausstellung auch feine, sensible Holzschnitte, die in exklusiv kleiner Auflage entstanden sind.
Birgit Sauer ist auch künstlerisch immer in Bewegung. Das bewundere ich besonders an ihr, sie ruht sich nicht auf Erreichtem aus. Sie ist keine, die einmal Erfolgreiches stetig perpetuiert. Sie wagt immer neue Wege, nimmt Herausforderungen an, sucht sie sogar.
Studiert hat sie an der Universität für angewandte Kunst bei Adolf Frohner und Sigi Schenk, und die Meisterklasse vor Ablauf der üblichen Studiendauer mit Auszeichnung abgeschlossen.
Im künstlerischen Schaffen unbeugsam, geht sie unbeirrt ihren ganz persönlichen Weg. Stellt das hin, was sie hinstellen muss und was sie selbst als wesentlich ansieht. Mit unbedingter Ehrlichkeit. Konzessionslos. Ohne Kompromisse.
Aus dem gänzlich Informellen ihrer Anfänge ist in den letzten Jahren eine abstrakte Gegenständlichkeit geworden, die den Betrachter wohl noch mehr fordert, da er auch hinter das offensichtlich Dargestellte blicken muss. Und da gibt es so vieles zu erforschen, zu entdecken. Seit mehr als 20 Jahren lebe ich mit vier wunderbaren großformatigen Kaltnadelradierungen von Birgit Sauer, und es ist mir immer wieder eine Freude, oft eine fast meditative Entrückung, sie zu betrachten.

Zum Abschluss noch ein Zitat von Walter Koschatzky: „Künstler waren immer, und sind es mehr denn je, die Ahnenden und Deutenden, die Seismographen ihrer Zeit. Ihre Unruhe, ihre Suche und Kritik ist die Chance, zu Wahrheit zu gelangen. Dass zu humanem Sein das Erlebnis von Schönheit, von Mitteilung der Formen und Farben gehört, muss unbestritten sein.“

Geballte Frauenpower bei der Ausstellung von Birgit Sauer (3. von rechts)     © Christian Kaiser